Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Seit Frühjahr 2017 betreibe ich ein Fotolabor für analoge Schwarzweiß-Fotografie in der ehemaligen Viktoria-Kaserne in Altona (Frappant e.V.), wo ich Negative von Kleinbild bis Großformat 13×18 cm verarbeiten und archivfeste Handabzüge auf Barytpapier bis 1,20 x 1,40 m herstellen kann.
Für die Ausstellung „Frisch entwickelt – Harburg in frühen Fotografien“ des Archäologischen Museums Hamburg und Stadtmuseums Harburg bat mich der Sammlungsleiter Dr. Michael Merkel, von einigen historischen Glasplatten-Negativen und Diapositiven aus dem Archiv des Museums probeweise Abzüge herzustellen.
Ich begann mit den Glasplatten-Negativen, während ich noch auf die Lieferung der erforderlichen Chemikalien zur Reproduktion der Diapositive wartete. Die Formate der Glasplatten-Negative reichten von 9×12 bis 18×24 cm. Manche der Negative haben durch das Alter schon Schäden erlitten oder stark an Kontrasten eingebüßt. Da mein Vergrößerer jedoch nicht mehr mit 1000 Watt Halogen-Lampen, die sich stark erhitzen, sondern mit moderner LED-Technik arbeitet, konnte ich getrost auch mit den empfindlicheren Originalen umgehen.
Die Negative (wie auch die Dias) sind teilweise verschmutzt, angefressen und zerkratzt. Es galt also zunächst, die Rückseite der Glasplatten zu reinigen sowie die Schichtseite der Negative vorsichtig zu entstauben. Auf manchen Negativen befindet sich auf der Rückseite manchmal noch eine Art Lackschicht, die offenbar zur Kontrastkontrolle aufgebracht wurde, indem die stärker zu belichtenden Teile des Negativs (Hände und Gesichter) wieder freigekratzt wurden. Diese „Kontrastkontrollschicht“ ist im Lauf der Zeit rissig geworden, während sich die eigentliche Silbergelatine-Schicht in einem guten Zustand befindet. Daher zeigen sich auf manchen Abzügen Risse, die ich so gut wie möglich versucht habe, zu retuschieren. Andere sehr stark beschädigte Positive (die offenbar in den 1930er Jahren als Reproduktionen noch älterer Abzüge, die mittlerweile verloren gegangen sind, hergestellt wurden) habe ich zunächst als Negativ auf großformatiges Papier (50×60 cm) ausbelichtet, diese Abzüge dann von Hand mit Pinsel und Eiweißfarben retuschiert. Das Ergebnis habe ich anschließend abfotografiert und als Dia entwickelt, so dass das Endergebnis wiederum ein retuschiertes Negativ war, von dem einigermaßen brauchbare Papierabzüge hergestellt werden konnten. Allerdings nehmen mit jeder Reproduktion die Kontraste immer weiter zu und die feinen Grauabstufungen des Originals gehen teilweise verloren.
Von sehr großformatigen Negativen (18×24 cm) stellte ich zunächst Kontaktabzüge her, fotografierte diese ab auf Mittelformat 6×7 cm und produzierte von diesen Negativen Papierabzüge im Format 30×40 cm. Auch hier erwiesen sich die gesteigerten Kontraste als ein Problem, welches ich erst bei der Anfertigung der Diapositiv-Reproduktionen durch längere Versuchsreihen mit verschiedenen Filmmaterialien und Entwicklerlösungen, Belichtungsreihen und Entwicklerkonzentrationen in den Griff bekam. Kurz: sehr kontrastreiche Vorlagen muss man beim Abfotografieren überbelichten, dann aber in einer schwachen Entwicklerlösung kürzer entwickeln (t -30%). Vorlagen mit geringem Kontrast werden „gepusht“ (100 ASA auf 400 ASA), dafür aber in einer höher konzentrierten Entwicklerlösung steiler entwickelt (t +40%).
Ich teilte also die vorhandenen Dias in drei verschiedene Gruppen ein (schwacher / normaler / starker Kontrast), fotografierte sie vor einer Leuchtplatte mit Balgen, Diakopiervorsatz und einem hervorragenden Makro-Objektiv auf Rollfilm ab und entwickelte die Filme anhand der experimentell ermittelten Rezepturen. Das Verfahren ist bei den meisten Diapositiven nun recht brauchbar, stößt aber bei den ganz frühen Fotos aus den 1890er Jahren oder bei sehr flauen Vorlagen an seine Grenzen. Bei den ganz frühen Fotos („Kaufhauskanal“ / „Schlossstraße“ / „Vogelschießen“) handelt es sich offenbar um Dia-Reproduktionen, die wohl in den 1930er Jahren von Foto-Vorlagen hergestellt worden waren. Die beiden hier gezeigten Abzüge sind also bereits die vierte Reproduktion des ursprünglichen Bildes. Daraus resultieren Belichtungszeiten und Nachbelichtungen von teilweise bis zu 7 Minuten, die wegen des Schwarzschild-Effekts (Ermüdung des Bildsilbers) auch nicht mehr verlängert werden können. Bei anderen sehr kontrastarmen Vorlagen nahm ich das ultraharte Papier Fomabrom C112 zu Hilfe, um aus einem flauen Grau-Matsch überhaupt noch ein paar Kontraste zu extrahieren („Fürstenhaus“ / „Binnenhafen Lotsekanal“). Andere Abzüge behandelte ich zusätzlich noch mit „Farmerschem Abschwächer“, um Grauschleier zu entfernen, und badete das Ergebnis dann in Selen-Lösung 1+9, um die Bildschwärzen zu vertiefen („Silo Neubau“ / „Ecke Reeseberg – Winsener Straße“ / „Neue Straße“).
Einige Vorlagen waren bereits so löcherig, dass das fertige Bild von schwarzen Flecken übersät war, die insbesondere vor einem weißen Himmel sehr störend wirkten („Wilstorfer Straße mit Zeppelin“ / „Feuerwehrturm“ / „Lämmertwiete“). Da ich für eine originalgetreue Reproduktion die Negative selbst nicht retuschieren wollte, behandelte ich die Flecken auf den Abzügen mit einer Jodlösung und entfernte dann die Jodflecken durch eine erneute Fixage.
Alle Abzüge wurden auf Barytpapier angefertigt, zweimal fixiert, in einer Selenlösung 1+20 für die Langzeitarchivierung stabilisiert, mithilfe von Hypo-Clearing-Agent in fließend Wasser ausreichend ausgewaschen, schließlich mit säurefreier Heißklebefolie auf kartonstarkem säurefreien Bristolkarton kaschiert und letztendlich mit Pinsel und Eiweißfarben sorgfältig ausgetüpfelt und retuschiert.