Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Bedingt durch das Neubauvorhaben „Pestalozzi-Quartier“ an der Großen Freiheit in Hamburg-St. Pauli wird derzeit die 1717 erbaute Kirche der Mennonitengemeinde ausgegraben. Mennoniten kamen bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus den Niederlanden nach Altona, denn in ihrer Heimat wurden sie als Täuferbewegung durch spanische Inquisition verfolgt. In Altona gewährten ihnen die Schauenburger Grafen und später die Dänenkönige Privilegien zur Gewerbefreiheit und zur freien Religionsausübung. Das Gebiet, in dem sie sich ansiedeln durften, wurde „Freiheit“ genannt, was sich in den Straßennamen „Große Freiheit“ und „Kleine Freiheit“ erhalten hat. Da die Mennoniten trotz der gewährten Privilegien im größtenteils lutherischen Umfeld als Minderheit vom gesellschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen waren, richteten sie ihre Energie auf ihr wirtschaftliches Tun, insbesondere als Kaufleute und Handwerker.
Dadurch gelangten sie zu Wohlstand, der sich auch im Kirchenbau an der Großen Freiheit widerspiegelt. Der einschiffige Backsteinbau mit polygonalem Chorabschluss, der nahezu komplett dokumentiert werden konnte, besaß im Osten eine barocke Giebelfassade, die durch Sandsteine gegliedert war. Die mit relativ weichem Kalkmörtel ausgeführten Außenmauern wurden in einer späteren Phase durch Lisenen und Strebepfeiler verstärkt.
Der Innenraum konnte beheizt werden, wie ziegelgemauerte Anlagen in der Apsismauer belegen, die noch deutliche Brandeinwirkungen zeigen. In die für den Kirchenbau aufgebrachten sandigen Auffüllschichten waren einige Gruben eingetieft, die Feldsteine und Ziegelbruch enthielten, vermutlich Reste des Vorgängerbaus von 1675, ein Fachwerkbau, der beim „Schwedenbrand“ 1713 zerstört wurde.
Der neue, größere Backsteinbau der Mennonitengemeinde wurde bis 1915 genutzt. Damals zogen sie aufgrund der als zunehmend unpassend empfundenen Lage im Hamburger Amüsierviertel an der Reeperbahn in eine neue Kirche an der heutigen Mennonitenstraße um. Die Kirche an der Großen Freiheit diente nur noch profanen Zwecken, so wurde sie im Ersten Weltkrieg zu einer Kriegsküche umgebaut.
Diese Umbaumaßnahmen zeigen sich in Form eines Betonfußbodens, der auf Streifenfundamenten ruht und auf dem ursprünglich die großen Kessel der Küche standen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Mennonitenkirche an der Großen Freiheit schließlich durch Bomben zerstört.
AMH
Archäologie in Deutschland 2013
Ausgabe 02/2013
Aktuelles aus der Landesarchäologie, S. 47