Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Als die Archäologen unseres Museums vor einigen Jahren zum ersten Mal auf die Reste der mittelalterlichen Neuen Burg aus dem 11. Jahrhundert auf dem Hopfenmarkt in der Hamburger Innenstadt stießen, waren sie überrascht vom Erhaltungszustand des einstigen Burgwalls.
Die ringförmige Befestigungsanlage war aus Holz und Erde konstruiert und hatte gewaltige Ausmaße. Mit einem Gesamtdurchmesser von 180 m handelt es sich bei der Neuen Burg um die größte bekannte sächsische Burg im Norden, im einstigen Reich der Billunger. Da die Burg am Nikolaifleet in einer Alsterschleife liegt, ist der Untergrund sehr feucht, weshalb sich die im Burgwall verbauten Holzstämme vorzüglich erhalten haben. Die genaue Auszählung ihrer Jahrringe verriet den Archäologen sogar das exakte Gründungsdatum: Baubeginn war im Herbst 1021, also vor genau 1000 Jahren!
Die vorerst letzte Ausgrabung wurde im Herbst 2020 abgeschlossen, und auch dort wurden hervorragend konservierte Holzstämme angetroffen. Aufgrund der Bedeutung der Funde und der für Hamburg einmaligen Erhaltung wurde versucht, so viel archäologisches Bauholz wie möglich zu bergen und dauerhaft zu konservieren.
Archäologisches „Nassholz“, so der Fachausdruck, wird üblicherweise in einem sehr langwierigen und aufwändigen chemischen Prozess konserviert. Beim Holz der Neuen Burg sind wir einen anderen Weg gegangen: unter kontrollierten Laborbedingungen haben wir es getrocknet. Aufgrund der enormen Mengen konnte dies aber nicht in den museumseigenen Restaurierungswerkstätten erfolgen, sondern wir mussten dafür einen Partner aus der Holzwirtschaft gewinnen.
So wandten wir uns zunächst an das Bergedorfer Thünen-Institut für Holzforschung, wo eine erste kleine Charge Holz konserviert wurde, um zu testen, ob eine Trocknung überhaupt möglich ist. Das Ergebnis war überzeugend: die getrockneten Eichen- und Erlenstämme waren am Ende so hart und stabil wie modernes Bauholz, die Eiche sogar noch härter, da sie sich in den 1000 Jahren im Boden in steinharte und pechschwarze Mooreiche umgewandelt hat.
Nach diesem erfolgreichen Probelauf empfahlen uns die Kollegen aus Bergedorf für die Trocknung im großen Stil eine Spezialfirma, die zu unserer großen Überraschung in Harburg am Großmoorbogen ansässig ist: Max Cropp Edelholzhandel, Familienbetrieb seit 1919, heute geführt durch den Inhaber Eckart Stuhlmann. Herr Stuhlmann und sein Sohn Martin waren sofort begeistert von der Einzigartigkeit des 1000-jährigen Holzes von der Neuen Burg und stellten dem Museum ihre Trockenkammer zur Verfügung.
In einem mehrmonatigen Prozess wurde dem Holz in der Kammer das Wasser langsam entzogen. Um die Qualität des Holzes unter Beweis zu stellen, hat das Museum eine limitierte Serie edler Koch- und Taschenmesser sowie fein gedrechselte Schreibgeräte aus dem konservierten Holz anfertigen lassen, die bald erworben werden kann. Und ab dem 25. November 2021 kann man das antike Holz dann auch in der neuen Ausstellung „Burgen in Hamburg – Eine Spurensuche“ bewundern.
Direktor des AMH und Landesarchäologe der Freien und Hansestadt Hamburg
Für alle verwendeten Bilder gilt © Archäologisches Museum Hamburg.