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Ausgrabung am Gasthof Zum Weißen Schwan

Auf den Spuren des früheren Gasthauses „Zum Weißen Schwan“ in der Harburger Schloßstraße

Das Archäologische Museum Hamburg führt seit Juli 2023 im Bereich der Harburger Schloßstraße eine Ausgrabung auf einem historisch besonders bedeutsamen Areal durch. Im 18. Jahrhundert stand an der Ecke Kanalplatz/Harburger Schloßstraße einst das stattliche Gasthaus „Zum Weißen Schwan“, das zu den renommiertesten Hotels in Harburg zählte. Die Archäologinnen und Archäologen werden dem Boden an diesem geschichtsträchtigen Ort 10 Monate lang seine letzten Geheimnisse entlocken.

Die Schlossinsel – Ein Stück Harburg im Wandel der Zeit

Die Harburger Schloßstraße stand in den letzten Jahren wiederholt im Mittelpunkt der Stadtplanung, denn hier vollzieht sich seit einiger Zeit ein tiefgreifender Strukturwandel, nachdem die Straße über viele Jahrzehnte ein Schattendasein fristete. Tatsächlich aber lag hier im Mittelalter die Keimzelle Harburgs, hier pulsierte einst das Herz der Stadt. Umfangreiche Ausgrabungen des Archäologischen Museums Hamburg haben schon in den vergangenen Jahren an dieser Stelle ein spannendes Geschichtsbuch geöffnet, das zuvor jahrhundertelang geschlossen war. Nun erhalten die Archäologinnen und Archäologen noch einmal für zehn Monate die Gelegenheit, auf einem 480 m² großen Areal zu neuen Erkenntnissen über die Ursprünge Harburgs zu kommen.

Das Grundstück an der Ecke Kanalplatz/Harburger Schloßstraße in unmittelbarer Nähe zum alten Rathaus, dem Hafen und der Festung liegt im ältesten Bereich der ehemals selbstständigen Stadt Harburg. Bekannt ist es für den Gasthof „Zum Weißen Schwan“, der an dieser Stelle von 1725 bis 1899 stand. Einige Harburgerinnen und Harburger haben das jüngste, wohl kurz nach der Franzosenzeit um 1814 errichtete Gebäude des Gasthofs, das bei Bombenangriffen 1943 beschädigt und 1965 abgebrochen wurde, sicherlich noch vor Augen.

Der Gasthof hatte eine wechselhafte Geschichte und ist insbesondere für zwei bedeutsame Ereignisse bekannt: 1819 war dort die Leiche des Herzogs von Braunschweig aufgebahrt, und 1846 logierte König Ernst August von Hannover in diesem Haus. Der Gasthof bot einst aber noch eine weitere Besonderheit: Nach der Entdeckung einer Schwefelquelle im Jahr 1821 richtete man dort eine Badeanstalt ein, die mindestens bis 1851 existierte. Mit dem Bau der Elbbrücken (1872) verlor das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Harburger Schloßstraße – und mit ihm auch der Weiße Schwan – allerdings an Bedeutung.

Die Archäologinnen und Archäologen blicken nun mit Spannung auf die laufende Grabung, denn die sogenannte Wirtshausarchäologie erlaubt in vielen Fällen einen Blick zurück in das Alltagsleben der Menschen vor dem Siegeszug von Fernsehen und Smartphones. Als Brennpunkte des sozialen Lebens finden sich dort oftmals wichtige und aussagekräftige archäologische Funde. Aus der Zeit des Gasthauses „Zum Weißen Schwan“ liegen nur wenige archivalische Quellen vor, so dass die aktuelle Ausgrabung für die Archäologen von besonderem Interesse ist. Ziel ist es darüber hinaus, Siedlungsreste zu erfassen, um die mittelalterliche und neuzeitliche Besiedlungsgeschichte des Areals zu klären. Wie bereits bei den früheren Grabungen in der Harburger Schloßstraße ist mit einem hohen Fundaufkommen in Form von Keramik, Pilgerzeichen, Waffen, Rüstungen und Schmuck zu rechnen.

Grabungstagebuch

Der Beginn der Grabungen

Ziel unserer Untersuchung ist es, Siedlungsreste in Form von Mauerwerken, Hausresten, Wurterhöhungen usw. zu erfassen, um die mittelalterliche und neuzeitliche Besiedlungsgeschichte des Areals zu klären. Die Lage am Hafen legt die Vermutung nahe, dass es sich bereits vor der Erwähnung des „Weißen Schwans“ um einen Gasthof gehandelt haben könnte. Als Brennpunkt des sozialen Lebens finden sich in Wirtshäusern oftmals wichtige und aussagekräftige archäologische Funde. Wie bereits bei den früheren Grabungen in der Schlossstraße ist mit einem hohen Fundaufkommen in Form von Keramik, Pilgerzeichen, Waffen, Rüstungen und Schmuck zu rechnen. Anhand dieser Funde und der Siedlungsreste lassen sich Fragen zur ältesten Besiedlung, Veränderung des Hausbaus, der Parzellierung und der Sozialgeschichte beantworten.

Postkarte der Harburger Schloßstraße von 1910, links im Bild der Gasthof Zum Weißen Schwan
Postkarte der Harburger Schloßstraße von 1910, links im Bild der Gasthof Zum Weißen Schwan

Freigelegte Profile

Direkt unter dem Kriegsschutt des 1943 durch eine Fliegerbombe beschädigten Hauses finden sich bereits spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Schichten. Im hier dokumentierten Profil sieht man deutlich die Abfolge (von unten nach oben) von Auffüllschichten, Brandschicht (vermutlich vom Großen Stadtbrand 1536), Brandschutt, Sauberkeitsschicht aus Sand, Estrich, Laufhorizont, Auffüllschicht, Estrich, Laufhorizont etc. Aus den Schichten kamen bisher Funde von Spinnwirteln und eine Keramikflasche zu Tage.

Eine unscheinbare Durchfahrt von großer Bedeutung

Zwischen den beiden Mauern rechts und links im folgenden Bild befand sich früher die mit Belgischem Blaustein gepflasterte Durchfahrt des Gasthofs „Zum weißen Schwan“. In dieser Durchfahrt wurde im Jahr 1819 die Leiche des Herzogs von Braunschweig bei seiner Überführung zur endgültigen Beisetzung in der Familiengruft aufgebahrt.

Die Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806

Karl Wilhelm Ferdinand Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1735-1806) war bei der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 der preußische Oberbefehlshaber gegen Napoleon. Nachdem er in der Schlacht schwer verwundet worden war (eine Kugel durchschlug ihm beide Augen), zerfiel die Befehlskette, und die Offiziere blieben in taktischen Fragen sich selbst überlassen. Darauf waren sie nicht vorbereitet, und so erlitten die Preußen trotz erdrückender Übermacht eine vernichtende Niederlage. Der Herzog flüchtete nach Braunschweig, wo er in einem Brief an den Kaiser um Anerkennung der Neutralität seines Landes und um Sicherheit für seine Person bat. Napoleon aber ließ ihm ausrichten, er und seine Nachkommen wären die längste Zeit Herzöge von Braunschweig gewesen. Daraufhin wurde der Herzog schwer verwundet über Harburg nach Altona geschafft, ins neutrale Dänemark also, wo er in Ottensen im Wirtshaus Am Felde 5 verstarb.

Die Folgen der Niederlage für Harburg

Die Niederlagen der Preußen zeitigten für die Harburger in der Folge noch viel Ungemach. Nachdem die Stadt zunächst Teil des neugeschaffenen Königreichs Westphalen geworden war, gehörte sie ab 1811 innerhalb des Département des Bouches de l’Elbe (Elbmündungsdepartement) unmittelbar zum französischen Kaiserreich. Französische Truppen besetzten die Harburger Festung, und um das Schussfeld für ihre Kanonen frei zu halten, wurden 1814 die Häuser an der nördlichen Schlossstraße niedergelegt. Der Kaplan der Harburger Schlosskirche W.C. Ludewig berichtet darüber als Augenzeuge in seiner Chronik „Geschichte der Stadt Harburg“ (1845):

„Am 23. Januar (1814) gab (der französische Festungskommandant) Davout den Befehl, dass die dem Kanale anliegenden Häuser sollten abgerissen werden, wozu die beiden Eddelbüttelschen Gasthäuser, das Seilersche, Holtermannsche und das Posthaus gehörten, welches auch alsbald geschehen musste. Die Häuser am Kanale zur Schloßstraße bis an den Ratskeller erlagen dem Abbruche.“

Doch nach dem bald darauf erfolgten, endgültigen Abzug der Franzosen muss der Gasthof „Zum weißen Schwan“ recht bald wieder aufgebaut worden sein, denn bereits 1819 logierte, vermutlich bereits zum wiederholten Mal, der Herzog von Braunschweig, diesmal allerdings in einem noch beklagenswerteren Zustand, im Haus am Kanalplatz. Chronist W.C. Ludewig schreibt darüber:

„Seit October 1806 hatte die Leiche des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel zu Ottensen bei Altona in der Kirche beigesetzt gestanden; allein am 6. November 1819 wurde sie über die Elbe anher gebracht. Sie stand eine Nacht auf dem Wagen in dem Wagenschauer des Holtermannschen Gasthauses zum weißen Schwan in Harburg, und am 7. und 8. November wurde sie über Soltau, Bergen, Zelle nach Braunschweig weiter geführt und dort am 10. November 1819 im fürstlichen Leichengewölbe in der Burgkirche feierlichst beigesetzt.“