Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Zahlreiche Befunde der seit einiger Zeit laufenden Stadtkerngrabungen an der Harburger Schloßstraße (vgl. AiD 6/2013, S. 47) gewähren uns aufschlussreiche Einblicke in das tägliche Leben der Bürger einer städtischen Siedlung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Aufgrund der guten Erhaltung der Befunde des 15. und 16. Jh. konnten im Inneren vieler Häuser Feuerstellen aus Ziegeln oder aus Feldsteinen nachgewiesen werden.
In vier Fällen stießen die Ausgräber auf Objekte, die unter den Feuerstellen deponiert worden waren. Alle Funde hat man direkt unterhalb der Brandgrube vergraben. In drei Fällen handelt es sich um Tongefäße, in einem Fall eine grautonige Kanne und eine Schale gleicher Machart. Ein weiterer Befund enthielt eine Schale, abgedeckt mit zwei Dachziegeln. Hier hatte man unter einer Feuerstelle aus faustgroßen Feldsteinen einen großen innen glasierten Topf vergraben. Zwei der insgesamt vier Gefäße waren unbeschädigt bis auf ein kleines Loch im Boden. Unterhalb der Brandgrube einer weiteren Feuerstelle um oder kurz nach 1536 konnte ein doppelt geschmiedetes Hufeisen dokumentiert werden. Alle Befunde datieren vom späten 15. bis ins zweite Drittel des 16. Jh.
Deponierungen innerhalb von Gebäuden sind kein unbekanntes Phänomen. In Süddeutschland ist von der frühen Neuzeit bis ins 19. Jh. das Vergraben von Nachgeburten im Haus sowohl schriftlich als auch archäologisch überliefert. In der jüngsten Neuzeit vergrub man Pferdeschädel oder große Töpfe im Bereich der Tenne. Deponierungen im Bereich des häuslichen Herdes sind in Norddeutschland und Skandinavien seit der Vorrömischen Eisenzeit belegt. Der Herd hatte eine besondere Bedeutung als Zentrum des familiären Lebens und Sitz des Feuers. Vor allem aus dem Dreißigjährigen Krieg weiß man aber, dass auch Wertsachen in der Feuerstelle verborgen wurden, da sie besonders schwer zugänglich war.
Die ungestörte Lage der Befunde aus der Harburger Schloßstraße sowie die Art der Niederlegung sprechen für intentionelle Deponierungen, wobei die offenbar bewusste Beschädigung einiger Gefäße an das rituelle “Unbrauchbarmachen” erinnert, wie es auch aus prähistorischen Opferzusammenhängen bekannt ist. Bei den vorgestellten Befunden könnte es sich um die Tradierung eines solchen Brauchtums handeln, dass in das fortgeschrittene 16. Jh. hinein gepflegt wurde. Es demonstriert eindrücklich, wie sehr die Menschen auch in jüngeren Zeitabschnitten weiterhin ältere Bräuche pflegen.
AMH
Archäologie in Deutschland 2014
Ausgabe 2/2014
Aktuelles aus der Landesarchäologie, S. 45