Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Ein Praktikum bei der Ausstellung „hot stuff – Archäologie des Alltags“
Bald ist es soweit: Die Ausstellung „hot stuff – Archäologie des Alltags“ öffnet ihre Türen ab dem 31. Oktober 2019 im Archäologischen Museum Hamburg. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und ich habe als Praktikantin die Möglichkeit, einen Einblick in die Planungen zu bekommen und dabei mitzuhelfen!
Ich bin Melissa Schiermann und absolviere seit Anfang September 2019 im AMH ein Praktikum. Als Studentin der Klassischen Archäologie im Hauptfach und der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie im Nebenfach an der Universität Hamburg nutze ich die Möglichkeit, hier schon während des Studiums erste praktische Erfahrungen in der Museumsarbeit zu machen und einen Arbeitsbereich der Archäologie kennenzulernen. Die Mitarbeit an dem aktuellen Ausstellungsprojekt zeigt mir außerdem ganz neue Facetten meines Faches.
Der „heiße Scheiß“ oder „hot stuff“, um den es sich in der Ausstellung dreht, sind technische Innovationen der letzten Jahrzehnte, die das Leben unserer Eltern und Großeltern revolutionierten. Was das mit Archäologie zu tun hat, erschloss sich mir schnell: So wie ich im Studium lerne, wie sich die Ikonographie von Vasenbildern über die Jahrhunderte verändert hat, kann eine solche Entwicklung auch z. B. beim Telefon beobachtet werden. Die Archäologie ist nicht nur ein Thema der fernen Vergangenheit von vor Tausenden von Jahren, sondern auch in unserem Alltag zu finden. Sie behandelt Fragen, die sich neben der Vorgeschichte und der Antike auch auf die „moderne“ Geschichte beziehen. Die Objekte von „hot stuff“ zeigen uns, dass der Fachbereich ein breites Feld abdeckt und auch Gebiete beinhaltet, die Nicht-Archäologen bekannt sind.
Die Sonderausstellung steckt voller Überraschungen, die die Welt der Alltags-Technologien aus einem neuen Blickwinkel zeigen. Über die allgemeinen Fakten hinaus werden den Besuchern mit einem Augenzwinkern auch Geschichten und Anekdoten zu den Ausstellungsstücken präsentiert, die wohl noch nicht jeder kennt. Zu Beginn meines Praktikums habe ich die Aufgabe erhalten, Objektrecherchen zu einigen Exponaten zu machen. Mir als angehende Archäologin ist dabei natürlich das Herz aufgegangen, denn die Recherchearbeit zählt zum Alltag meines Berufsfeldes und ist damit meine persönliche „Archäologie des Alltags“, die mir noch dazu viel Spaß macht. Immer wieder ermöglicht sie durch die Ausarbeitung unterschiedlichster Themenbereiche, in die Geschichte einzutauchen und womöglich neue Fragestellungen beantworten zu können.
Bei der Recherche für „hot stuff“ bin ich auf viele überraschende Informationen und Geschichten gestoßen, die mir direkt Lust auf mehr gemacht haben. Ich möchte hier erste Ergebnisse vorstellen, die dem Leser des Artikels hoffentlich Vorfreude auf die Ausstellung machen.
Ein Exponat, das in der Ausstellung zu sehen sein wird, ist eine alte Telefonzelle. In der Hintergrundrecherche dazu habe ich herausgefunden, dass die Telefonzelle, die den meisten von uns noch bekannt sein dürfte, eigentlich den durchaus kuriosen Namen „Fernsprechkiosk“ trug. Ab 1927 wurde dann der amtliche Ausdruck „Fernsprechhäuschen“ für sie festgelegt. Erst nach 40 Jahren hat sich im Volksmund der Begriff „Telefonzelle“ durchgesetzt. Den ersten Fernsprechkiosk weltweit stellte man 1878 in New Haven auf. Bereits 1881 wurde in Berlin das erste Exemplar in Deutschland aufgestellt. Seit April 2019 existieren keine klassischen Telefonzellen mehr – die letzte wurde am 24.04.2019 am Königssee in Bayern abgebaut – allerdings gilt sie heute als beliebtes Sammlerobjekt. Doch was stellt man heute mit einer Telefonzelle an? Die Sammler und Liebhaber haben sie auf unterschiedlichste Art umgewandelt: Beispiele sind die Nutzung als Duschkabine für das heimische Bad oder den Garten oder als eine ganz selbstständige Gartenanlage. Eine komplette Umfunktionierung durch Künstler fand 2010 in Linz statt: Studenten nutzten die Telefonzelle, um Menschen auf politische Botschaften aufmerksam zu machen. Die aufgestellte Kabine läutete dauerhaft und wer den Hörer abnahm, hörte Berichte von rassistischen Zwischenfällen aus verschiedenen Städten in Österreich. Die Telefonzelle ist ein gutes Beispiel für die Fülle und Vielseitigkeit von Geschichten hinter den früheren Alltagsgegenständen, die in „hot stuff“ zu sehen sein werden.
Ebenfalls Ausstellungsstück in „hot stuff – Archäologie des Alltags“ wird das Mobiltelefon „Motorola International 3200“ sein: Es war eines der frühesten Handys und das erste, das seine gesamte zum Telefonieren notwendige Technik in einem Handapparat vereinte und mit dem neuen flächendeckenden digitalen Mobilfunknetz arbeitete. Aufgrund seiner Form und seines Gewichts wurde das Gerät umgangssprachlich häufig als „Knochen“ bezeichnet – für die Ausstellung in einem archäologischen Museum natürlich doppelt witzig. Was uns heute nach der inzwischen ebenfalls über zehn Jahre zurückliegenden Einführung der ersten Smartphones rückständig, klobig oder unpraktisch erscheinen mag, war 1992 eine riesige technische Innovation und ein Meilenstein der Entwicklung. Die Menschen mussten damals tatsächlich bis zu einem Jahr nach der Bestellung darauf warten, ihren „Knochen“ endlich in den Händen halten zu können.
Neben diesen Objekten werden noch zahlreiche weitere etwa aus den Bereichen Gaming, Foto, Computer und Telekommunikation zu sehen sein: vom ersten Telefon mit Wählscheibe aus dem Jahr 1961 bis hin zum ersten Smartphone, dem iPhone von 2007. Zusätzlich zu den technischen Errungenschaften werden auch andere typische Stücke aus dem Alltag der 70er- bis 2000er-Jahre gezeigt, die die Jahrzehnte wieder zum Leben erwecken. In die Inszenierung eines Jugendzimmers gehören z. B. der Schulranzen und das Poesiealbum. Der umgangssprachliche Name „Tornister“ leitete sich von den von Soldaten im 19. Jahrhundert verwendeten Taschen, die dem späteren Schulranzen ähnelten, ab. Vorgänger des klassischen Poesiealbums, das heute ein ganz typisches Erinnerungsstück an die eigene Kindheit ist, waren die sogenannten Stammbücher. Die Oberschicht nutzte diese, um als Ausdruck der Zuneigung an Verwandte, Freunde usw. gerichtete Texte in Versform zu verfassen. Im 18. Jahrhundert wurden die Stammbücher gerne von Studenten an Universitäten genutzt, um Empfehlungsschreiben von ihren Lehrenden zu erhalten. Daher kommt der Ausdruck „Jemanden ins Stammbuch schreiben“.
Diese und weitere Gegenstände und ihre Geschichten werden Teil von „hot stuff – Archäologie des Alltags“ sein. Besucher jeden Alters und aller Generationen können also erwartungsvoll sein, welche Erinnerungen aus früheren Zeiten geweckt werden und auf sie warten. Ich bin weiterhin gespannt, welche neuen Herausforderungen auf mich warten. Dies war schließlich erst der Beginn meiner Arbeit am Archäologischen Museum Hamburg.
Praktikantin am AMH