Heute

Ausstellungen

Brigitte Nolden – Parallele Welten

31. Mai bis 8. September 2024
Aus Anlass des 80. Geburtstages der Hamburger Künstlerin Brigitte Nolden zeigt das Stadtmuseum Harburg eine große Retrospektive ihres Schaffens.

Lost Places

25. Oktober 2024 bis 23. März 2025
In Zusammenarbeit mit der Hamburger Morgenpost und dem Fotografen Florian Quandt widmet sich das AMH in einer Foto-Ausstellung dem faszinierenden Thema Lost Places.

Zwischen den noch sichtbaren Füßen des Fotografen hindurch aus der Luft fotografiert: Innenalster, Jungfernstieg und das Hamburger Rathaus

Vom Rathausmarkt zum Rathausplatz

25. Oktober 2024 bis 23. März 2025
Das Stadtmuseum Harburg zeigt einen historischen Rundflug über Hamburg, Wilhelmsburg und Harburg mit Bildern des Fotografen Günther Krüger (1919-2003), der entscheidende Entwicklungen der Hamburger und Harburger Geschichte aus der Luft mit seiner Kamera festhielt.

Veranstaltungen

Heute

Ein Altonaer Wundermittel

hellgrünes Glasfläschchen, Ausgrabung Landkreis Harburg

Heilmittel aus Hollenstedt

Unser Fund des Monats stammt aus dem Museumsmagazin: Zwischen dem Bauschutt eines 1990 abgebrochenen Bauernhauses im Herzen von Hollenstedt lag ein kleines hellgrünes Glasfläschchen, das sich bei näherem Hinschauen als amüsantes Kleinod herausstellte. Die kleine Flasche trägt eine diagonal verlaufende Prägung: „DIE KEISSERLICHE PRIVILEGIRT ALTONATICHE W. KRONESSENTS“. Darunter ist ein symmetrisch angelegtes Symbol zu erkennen. Worum handelt es sich bei dieser Kronessents, genauer Wunder-Kronessents, die, wie die Beschriftung trotz der merkwürdigen Schreibweise andeutet, aus Altona stammen dürfte? Der Inhalt der Flasche ist zwar nicht chemisch analysiert, aber es ist klar, dass er zu der vielgestaltigen Gruppe der im 18. und 19. Jahrhundert verbreiteten Wundertinkturen, Heilmedizinen etc. gehört. Quacksalberei also. Wer hier am Werke war, war der Altonaer Hugenotte, Kurpfuscher und Schuster Johann Peter Menadier (1735-1797). Seit den 1770er Jahren produzierte er in Altona seine Wundermedizin, füllte sie in Flaschen wie diejenige aus Hollenstedt ab und verkaufte sie im wahrsten Sinne des Wortes in alle Welt. Mit dem kaiserlichen Privileg, das wir vermutlich wohl als verkaufsfördernden Marketingschwindel ansehen dürfen, wurde es ab 1796 verkauft, nach Menadiers Tod von seiner Witwe und seinen Nachfahren (laut einer Angabe der dänischen glashistorischen Gesellschaft in Holbæk sogar bis ca. 1930). Doch lassen wir zur Wirkung der Essenz erst einmal die Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 18 vom 31. Januar 1801 zu Wort kommen:

„Hülfs-Anzeige für schwache und kranke Personen. Die bereits seit 42 Jahren berühmte und von Sr. Römisch-Kayserlichen Majestät privilegirte Menadiesche oder Altonatiche Wunder-Kron-Essenz, welche in fast allen menschlichen Schwach- und Krankheiten gleich schmerzstillend und hülfleistend ist, wird beständig noch einzig und allein ächt und unverfälscht von dem Herrn Johann Peter Menadie, in der kleinen Mühlenstraße No. 115 in Altona verfertigt. Das einzelne Glas kostet 12 ßl.; bey großen Quantitäten wird ein ansehnlicher Vortheil zugestanden, und bey jedem Glase ist ein Gebrauchzettel gratis.“

Ein schwedischer Beipackzettel, ebenfalls aus der Zeit um 1800, führt aus, wogegen die Kronessents wirkt. Hier seien nur einige wenige (!) der Krankheiten und Leiden aufgeführt: Fieber, geschwollene Beine, Blutstürze, Gicht, allerlei Ausschläge, Koliken oder auch Monatsbeschwerden.

hellgrünes Glasfläschchen, Ausgrabung Landkreis Harburg
Die kleine Flasche trägt eine diagonal verlaufende Prägung: „DIE KEISSERLICHE PRIVILEGIRT ALTONATICHE W. KRONESSENTS“. © AMH, Foto: Torsten Weise

Von Schweden bis nach Amerika

Apropos Schweden: Der Ursprung der Kronessenz ist ebendort zu suchen. Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte der Arzt Urban Hjärne ein Naturheilmittel namens Elixir amarum Hjaerneri und brachte es zur Vermarktung in Apotheken. Hjärnes Söhne verbreiteten die von ihrem Vater noch geheim gehaltene Rezeptur, so dass sie im Laufe des 18. Jahrhunderts auch in Pharmaziebüchern in Deutschland auftauchte, unter dem Namen Elixir ad longam vitam. Variationen des Mittels sind noch heute als Schwedenbitter oder Schwedenkräuter gebräuchlich und enthalten neben Alkohol verschiedene Kräuter.

Als Altonaer Wunder-Essenz erscheint dieses Mittel oder eine andere Version davon im deutschsprachigen Raum spätestens im Jahre 1765. Damals erteilte Friedrich II. von Preußen einem Dietrich Heinrich Schwers die Konzession, dem Waisenhaus zu Brunzlau im Herzogtum Schlesien das Mittel in Kommission zu geben. Bereits im frühen 19. Jahrhundert allerdings wurde die Einfuhr der Essenz nach Preußen schon wieder untersagt, weil das Mittel als schädlich anzusehen sei. Wie Menadier an „sein“ Rezept gelangt ist, wissen wir nicht. Bei seiner Produkt-Piraterie erwies sich Menadier in jedem Fall als äußerst erfolgreich: Mit einem einschlägigen Beipackzettel ausgestattet war seine Kronessents scheinbar das ganze 19. Jahrhundert hindurch ein Verkaufsschlager und wurde später auch in vielen anderen Städten und Ländern produziert. Im Internet lassen sich die Fläschchen z. B. bis nach New York verfolgen, wo bei einer Ausgrabung auf Manhattan ein Fläschchen in einem Ende des 19. Jahrhunderts stadtbekannten deutschen Biergarten ans Tageslicht kam. 

In der Vestkusten, einer in San Francisco auf Schwedisch erscheinenden Zeitung für Auswanderer, bewarb die Ocean Shore Pharmacy in der Ausgabe vom 27.02.1913 verschiedene schwedische Hausmittel, darunter auch Kronessenz (ob unsere orginal Altonaische, bleibt allerdings ungewiss). Die Altonatiche Wunder-Kronessents ist, wie die wenigen Beispiele zeigen, ein Nachweis für den globalisierten Handel bereits im 19. Jahrhundert. Ein eigenartiges Beispiel verdeutlicht dies vielleicht in besonderer Weise: Der schwedische Forscher Erland Nordenskiöld entdeckte bei einer Reise durch Peru und Bolivien im Jahr 1904/1905 selbst in einem geplünderten indianischen Grab in den Anden ein Fläschchen Altonatiche Kronessents!

In Hamburg wie in den meisten anderen Teilstaaten des Deutschen Reichs war es ab Anfang des 20. Jahrhunderts übrigens gemäß damals erlassener Geheimmittelverordnungen verboten, in der Beschriftung der Flaschen oder deren Verpackung medizinische Erfolge anzupreisen oder Empfehlungen derartiger Mittel zu veröffentlichen. Außerdem wurde es verboten, solche Mittel überhaupt öffentlich anzukündigen oder anzupreisen. Unter den Geheimmitteln, die unter diese Verordnungen fallen, ist regelmäßig auch die Altonaische Kronessenz aufgelistet.

 

(Alle hier gegebenen Informationen beruhen auf einer Internetrecherche und können unter den entsprechenden Stichworten Kronessenz oder Kronessents nachgelesen werden. Für die Mitrecherche sei ganz herzlich Torsten Weise gedankt!)

Autor

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Dr. Jochen Brandt

Kreisarchäologe des Landkreises Harburg am AMH