Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug
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Das Archäologische Museum Hamburg führte von 2012 bis 2014 umfangreiche Ausgrabungen in der Schloßstraße in Hamburg-Harburg durch. Das Projekt war die bislang größte Stadtkerngrabung Hamburgs und gehörte zu den größten archäologischen Grabungsprojekten dieser Art in Deutschland. Inzwischen haben die Archäologen ihre Grabungsergebnisse ausgewertet und wollen mit der neuen Sonderausstellung „Ausgegraben. Harburg archäologisch“ ab dem 24. November Licht ins Dunkel der Gründungszeit Harburgs bringen. In der Ausstellung werden die neuesten Forschungen zur Siedlungsentwicklung, Wirtschaftsweise und zum täglichen Leben der damaligen Harburger präsentiert.
Mit der Ausstellung „Ausgegraben. Harburg archäologisch“ verknüpft das Archäologische Museum Hamburg erstmals historische Überlieferungen mit brandaktuellen archäologischen Grabungsergebnissen. Die Wissenschaftler hatten bei dieser Grabung zwei Jahre und sieben Monate lang die Gelegenheit, einen besonders geschichtsträchtigen Ort zu untersuchen. Auf der Harburger Schlossinsel wurde wohl um das Jahr 1000 die Horeburg, die „Burg im Sumpf“, errichtet, und von hier aus wurden die Marschen des Hamburger Südens besiedelt. Die Entwicklung des heute im Harburger Binnenhafengebiet gelegenen mittelalterlichen Stadtkerns entlang der Harburger Schloßstraße stellt eine siedlungstopografische Besonderheit dar: Der Straßenverlauf hat sich über gut 1000 Jahre nicht verändert – beste Voraussetzungen für die Archäologen, die frühe Siedlungsgeschichte Harburgs zu erforschen.
Auf dem Grabungsareal wurden mehr als 6.000 Kubikmeter Erde bewegt, 13.000 Befunde erfasst und 36.000 Funde inventarisiert. In vier Grabungsabschnitten konnten die Archäologen eine Fläche von über 2.000 m² detailliert wissenschaftlich untersuchen. Eine besondere Herausforderung stellte dabei die Tiefe der Siedlungsschichten dar, die bis zu 4,50 m unter das heutige Straßenniveau reichten. „Die große Bandbreite der archäologischen Spuren und die Anzahl und Qualität der einzelnen Funde übertrafen unsere Erwartungen und belegen die hohe Bedeutung, die der Stadt seit hunderten von Jahren nicht nur als Siedlungsgebiet, sondern auch als Verkehrsknotenpunkt zukam.“, so Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums und Landesarchäologe von Hamburg. „Harburg ist mittlerweile eine der am besten ergrabenen mittelalterlichen Städte Deutschlands „, so Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss weiter.
Die untersuchten Schichten der archäologischen Ausgrabung erzählen von den Anfängen Harburgs als Grenzfestung und dem späteren Herrschaftssitz der Harburger Herzöge, vom Militärwesen des 17. und 18. Jahrhunderts und von der Industrialisierung. Fundobjekte, die mit großem Aufwand restauriert wurden, werden jetzt erstmals im Rahmen der Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert.
Da das gesamte Gebiet der Harburger Schloßstraße im Niederungsbereich der Elbe liegt, bietet der hohe Grundwasserpegel eine außergewöhnlich gute Funderhaltung. So konnten viele Gegenstände aus Metall und organischen Materialien in sehr gutem Zustand geborgen werden. Insbesondere die bewegte militärische Geschichte Harburgs zeigt sich in den großen Mengen an Waffen, die auf der Grabung gefunden wurden: Armbrustbolzen, Pfeilspitzen, Äxte, Speere, Lanzen, Gewehr- und Pistolenkugeln, Musketengabeln und Artelleriegeschosse waren in den verschiedenen Schichten auffällig häufig vertreten.
Wertvolle Importkeramik, reich verzierte Ofenkacheln und bemalte Fensterscheiben belegen aber auch den Reichtum und die weitreichenden Handelsbeziehungen der frühen Harburger. So konnte zum Beispiel aus einer Kloake des 17. und 18. Jahrhunderts ein fast vollständiges Service hochwertigen Tafelgeschirrs geborgen werden. Die Waren wurden aus Deutschland, England, Holland, Italien und sogar aus China herangeschafft.
Die Funde spiegeln das ganz alltägliche Leben wider: Neben Teilen von Kleidungsstücken und Pflegeutensilien fand sich auch Kinderspielzeug. Eine hölzerne Schalmei, Tabakpfeifen und Pilgerzeichen sind weitere Spuren der Harburger Geschichte. Die Archäologen konnten nachweisen, dass entlang der Harburger Schloßstraße verschiedene Handwerksberufe wie Feinschmiede, Schneider und Bäcker angesiedelt waren.
In allen Siedlungsschichten des 13. bis 16. Jahrhunderts kamen zudem eiserne Kalfatklammern zum Vorschein, die beim Bootsbau Verwendung fanden. Sie belegen die Existenz eines Werftbetriebes innerhalb der Stadt. Außerdem gelang es den Archäologen, den Hafen sowie den ältesten Marktplatz zu lokalisieren. Sie konnten anhand der Ausgrabungsbefunde die drei großen Stadtbrände der Jahre 1396, 1536 und 1564 archäologisch nachweisen. Die nahezu vollständige Zerstörung der Stadt im Jahr 1536 wurde vom ersten Harburger Herzog Otto zu einer Neuordnung der Besitzverhältnisse genutzt. Diese veränderte Aufteilung der Parzellen lässt sich an den Grabungsergebnissen ebenfalls ablesen.
Die Ausstellung „Ausgegraben. Harburg archäologisch“ wird anhand der neuesten Forschungserkenntnisse Fragen zur Geschichte der Harburger Schloßstraße beantworten: Wie entwickelte sich das Leben in der Straße, die über mehrere Jahrhunderte das Zentrum der Stadt bildete? Welche Rolle spielten Themen wie Religion, Hafen, Handwerk und Handel, aber auch Gastlichkeit und Musik im Leben ihrer Bewohner? Mit Hilfe ausgewählter Fundstücke der Grabung werden Einblicke in die unterschiedlichsten Lebens-und Arbeitswelten der frühen Harburger ermöglicht. So zeigen beispielsweise kunstvoll gestaltete Pilgerzeichen den Stellenwert von Religion und Glauben in der Stadt und belegen gleichzeitig Harburgs Bedeutung als Transitort für Pilger im 15. und 16. Jahrhundert. Weiterhin widmet sich die Schau der Bedeutung von Harburg als Hafen- und Umschlagsort und damit auch den Jahrhunderte alten Spannungen zwischen Harburg und der Hansestadt Hamburg, die bis heute vielen Menschen präsent sind.
Im Museum erwartet die Besucher ein umfangreiches Begleitprogramm für die ganze Familie. Führungen und Expertenvorträge geben Einblicke in die spannende Arbeit der Archäologen.
Ausstellungslaufzeit: 24. November 2015 bis 10. April 2016
Pressereferentin des AMH