Mythos Hammaburg
Das Archäologische Museum Hamburg erzählt eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte der Stadt: Die Entdeckung der legendären Hammaburg. Ergründen Sie mit uns die zahlreichen Rätsel um die historische Keimzelle der Hansestadt!
Gleichgewicht der Macht
Ältester erhaltener Siegelstempel der Stadt Hamburg, vor 1304. Der harmonische Zweiklang von Dom und Stadtbefestigung spiegelt das historische Gleichgewicht zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern wider, das sich über die Jahrhunderte in Hamburg entwickelt hat.

Wie die Menschen zur Zeit der Hammaburg lebten
Erste Siedlung
Auf dem Domplatz in Hamburg beginnt unsere Reise, zurück durch die Zeit bis ins Mittelalter. Die Häuser und Straßen um den Platz verschwinden, und wir blicken auf einen unbebauten Geestsporn – einen leichten Geländerücken, der von Osten nach Westen abfällt. Ungefähr dort, wo in 1.200 Jahren das Rathaus stehen wird, läuft er spitz zu und verschwindet im Wasser.

Bereits im 8. Jahrhundert ist die Lage beliebt: Jeder, der entlang der Elbe flussabwärts Richtung Nordsee reist, kommt an der kleinen Landzunge vorbei.
Um uns herum sind Wiesen und Wälder. Doch vor allem prägt das Wasser die Landschaft. Der Alsterfluss umschließt von Norden und Westen in einer Schleife die kleine Landzunge. Sie ist sumpfig durch die vielen Überflutungen. Im Süden fließt die Elbe mit ihren vielen Seitenarmen. Wir befinden uns im Mündungsdreieck der Alster in die Elbe.
Bereits im 8. Jahrhundert ist die Lage beliebt: Jeder, der entlang der Elbe flussabwärts Richtung Nordsee reist, kommt seit alter Zeit an der kleinen Landzunge vorbei. Archäologen finden später ihre Spuren aus der Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit.
Tongefäß und Steinbeil
Jungsteinzeit (4.–3. Jahrtausend v. Chr.); Hamburg, Domplatz und Bischofsturm. Der sog. Trichterbecher und das Steinbeil sind typische Hinterlassenschaften der ersten Bauern, die auf dem Geestsporn der Altstadt sporadisch gesiedelt haben.

Die erste nachgewiesene Siedlung gründen die späten Sachsen, ein germanischer Stamm, kurz vor der Zeit Karls des Großen. Zu Beginn sind es nur ein paar Häuser und ein kleiner Ringwall, doch diese Ansiedlung wird bereits als Burg bezeichnet: Hammaburg. Archäologisch lässt sich nur der dazu gehörende Graben nachweisen. Der Name deutet übrigens auf die sächsische Gründung hin – er bedeutet “Burg in der feuchten Niederung bzw. Bucht.”


Alltag in Hammaburg
Etwa 200 Menschen leben hier, die meisten in Hütten und Häusern außerhalb des Walls. In der Burg residiert ihr Anführer in einer großen Halle. Spuren von Rädern ziehen sich durch den feuchten Boden des breiten Pfades, der zur Anlage hinführt. Der kreisförmige Wall, geschützt durch Holzpalisade und Wehrgraben, misst im Durchmesser etwa 65 Meter. Neben dem Eingang auf der Ostseite führt ein weiteres Tor nach Westen zum Wasser hinunter. In einer Schleife um eine neu entstandene Insel herum hat man das Wasser näher an die Siedlung geführt.
Am Ufer legen Fischer den Fang des Morgens aus und flicken ihre Netze. Speere, mit denen nach Aalen gestochen wird, liegen auf dem flachen Boden ihrer Boote. Ein Junge greift sich mit Mühe einen Stein mit einem Loch in der Mitte aus einem Boot und betrachtet ihn. Er ist schwer, damit die daran befestigten Netze im Wasser nach unten sinken. Einer der Fischer bemerkt den Jungen und guckt ihn grimmig an. Vor Schreck lässt er den Stein fallen und rennt zur Burg. Wir folgen ihm.
Die Häuser sind einfache Holzkonstruktionen: Fach- und Flechtwerk mit Lehmbewurf.

Er läuft auf die Palisaden zu und bleibt vor einem der Häuser stehen. Es sind einfache Holzkonstruktionen: Fach- und Flechtwerk mit Lehmbewurf. Manche sind in den Erdboden eingetieft, das Stroh- oder Reetdach reicht fast bis zum Boden. Vor den Häusern beginnt die Arbeit des Tages. Es wird Holz bearbeitet, Knochen geschnitzt oder getöpfert. Der Junge betritt eines der kleinen Grubenhäuser.

Was ist ein Grubenhaus?
Ein Grubenhaus ist ein Gebäude, bei dem der gesamte Grundriss in den Boden eingetieft ist. Es handelt sich meist um Pfostenbauten mit Wänden aus Flechtwerk oder Spaltbohlen. In Europa kommen sie seit der Jungsteinzeit in verschiedenen Größen vor. Sie dienten wahrscheinlich als Wohnraum, Stall, (Lager-)Keller oder Werkstatt. Oft waren sie durch Öfen beheizbar aber auch das Eingraben in der Erde sorgte für gute Isolation und gleich bleibende Temperaturen. Die höhere Luftfeuchtigkeit war praktisch, wenn das Grubenhaus zur Verarbeitung von Flachs (Leinen) und zum Weben genutzt wurde. (Quelle: Reallexikon der germanischen Altertumskunde)
Zwei Frauen sitzen an einem einfachen Webstuhl. Gewichte aus Ton ziehen die Fäden straff nach unten. Eine der beiden Frauen schiebt das Schiffchen durch die Kette, die andere arbeitet mit einem Paket kleiner Brettchen an einer Zierkante. Als sie den Jungen bemerken, schicken sie ihn mit einer sanften Handbewegung wieder hinaus.

Seltene Keramik
Draußen scharren Hühner herum, in einem Verschlag aus Flechtwerk quieken Schweine. In der Auslage des Töpfer-Meisters liegt eine Vielzahl an Formen und Stilrichtungen: es gibt grob gemagerte, kugelige Töpfe aus heimischer Fertigung, die beim Kochen nicht so leicht springen. Die dunklen Gefäße mit eingeritzten Wellenmustern wirken feiner – diese Stücke müssen von den slawischen Nachbarn eingetauscht oder inspiriert worden sein.
Einige einheimische Gefäße kopieren die slawische Verzierungsweise.

Noch edler sind dunkle Kannen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Sie zeigen ein Dekor aus Zinnfolie, oft in Kreuzform verziert. Vielleicht wurden sie von Geistlichen mitgebracht und dienten als Messwein- oder Taufkanne. So etwas findet man hier sehr selten und nur bei reichen Leuten.
Tatinger Kannen
Die nach einem Fundort in Nordfriesland benannten Tatinger Kannen waren im 9. Jahrhundert ein gefragtes Luxusgut. Die auf der Drehscheibe fein gearbeiteten, hart gebrannten und mit Zinnfolie aufwendig verzierten Kannen wurden wohl im fränkischen Kernland produziert. Scherben dieses Exportschlagers finden sich häufig in den Handelsmetropolen der Zeit, auch als Grabbeigabe hochrangiger Wikinger. Aufgrund der bisweilen aus Zinn aufgelegten Kreuze werden die Gefäße auch als Tauf- oder Messkannen gedeutet.
Im Fundgut auf dem Domplatz finden sich verschiedene Typen slawischer Keramik aus dem 9. und 10. Jahrhundert sowie sächsische Kugeltöpfe mit von den Slawen inspiriertem Dekor.

Christen gibt es nicht in Hammaburg – zumindest noch nicht. Weiter nördlich, bei Esesfelth nahe dem heutigen Itzehoe, befand sich ein Missionszentrum. Graf Egbert hatte die Burg im Auftrag Karls des Großen für die Franken gebaut. Aber vor kurzem wurde sie von Nordmännern, die sich mit den Slawen verbündet hatten, angegriffen.

Letzter Vorposten vor den Wikingern
Um mehr Schutz vor ähnlichen Angriffen bieten zu können, wurde die Hammaburg gerade erst ausgebaut. In ihrem Zentrum thront eine große Halle, fast 20 Meter lang, quer zum Eingang. Um sie herum stehen vereinzelt Werkstätten, Ställe, Scheunen und Vorratsräume. Dazu Behausungen für die Handwerker und Bediensteten, die wie die restlichen Gebäude unter dem strengen Blick einiger Wachmänner stehen. Vor der Halle sitzt einer von ihnen und schärft geduldig sein Schwert mit einem Wetzstein. Der solide fränkische Stahl blitzt in der Morgensonne. Der Junge vom Ufer läuft selbstbewusst an ihm vorbei in die Halle.

Der große Raum wird von einer länglichen Feuerstelle erhellt, deren warmer Rauch nach oben steigt. Über ihr kocht Grütze in einem Specksteintopf. Der Duft zieht sich durch die ganze Halle. Längs zum Feuer sind an den Wänden gepolsterte Podeste wie Bänke und Betten aufgebaut. Verstreut liegen darauf ein paar Felle herum.
Am anderen Ende der Halle sitzt der Graf auf einem tonnenförmigen, hölzernen Stuhl. Trotz des warmen Feuers trägt er dicke Kleidung aus Wolle – Tunika, Hosen und einen rechteckigen Mantel. Vor ihm sitzt eine kleine Gruppe aus reisenden Händlern. Neuigkeiten sind bei ihm immer willkommen.
Christliche Geistliche gibt es nicht in Hammaburg – zumindest noch nicht.

Die Hammaburg ist der letzte Vorposten der Franken vor dem Gebiet der Wikinger und Slawen – hier ist man Durchreisende gewöhnt. Sie fördern den Informationsfluss und Handel. Der Junge beobachtet die Gruppe und geht langsam auf die Männer zu. Durch den Eingang tritt nun eine Frau in einem orange-roten Wollkleid. Ihre kreuzförmige Brosche schimmert im Schein des Feuers. Ein Bekenntnis des Glaubens und Schmuckstück zugleich – nichts für das einfache Volk.

Heiligenfibel von Maschen
Die Bekehrung der Sachsen zum Christentum nach dem Ende der Sachsenkriege 804 hat auch modische Spuren hinterlassen. Man schmückte sich nunmehr mit Gewandspangen in Kreuzform oder mit emaillierten Heiligendarstellungen.
Der Junge läuft auf die Frau zu, die sich mit einer Schüssel Graupen an die Feuerstelle setzt. Er setzt sich zu ihr, sie streichelt ihm den Kopf und gibt ihm ein Stück Räucherschinken. Er ist der Sohn des Grafen, der nächste Anführer der Siedlung Hammaburg. In den späteren Jahrhunderten werden ihm Grafen aus den Geschlechtern der Billunger und der Schauenburger folgen. Und irgendwann, viel später, entsteht aus dieser kleinen Siedlung von 200 Seelen auf einer Landzunge zwischen Elbe und Alster die große Hansestadt Hamburg.

Die Ankunft des Missionars Ansgar
Die erste schriftliche Erwähnung von Hammaburg fand im Jahr 834 statt. Zu dieser Zeit reiste ein Mönch namens Ansgar aus Corvey als Missionar nach Hammaburg, um von hier aus die Christianisierung Skandinaviens weiter zu führen. Ob er ahnte, was ihn an seinem neuen Wirkungsort erwartete?
Bis zu Ansgars Ankunft dürfte es sich um eine unbedeutende kleine Siedlung gehandelt haben.

Bis zu Ansgars Ankunft dürfte es sich um eine unbedeutende kleine Siedlung gehandelt haben. Bekannt ist, dass die Burg zu dem Zeitpunkt eine Wallgrabenanlage von 65 Meter Durchmesser war und etwa 200 bis 300 Einwohner in Burg und Vorsiedlung lebten. Nicht besonders repräsentativ, könnte man sagen. Aber warum wählte man diesen Ort aus?
Karl der Große hatte damals nicht Hammaburg im Blick, als er seine Missionierung und Eroberung im Norden vorantreiben wollte. Er hatte eine Festung bei Itzehoe auserkoren: die Burg Esesfelth. Diese ließ er vom dortigen, von ihm eingesetzten fränkischen Statthalter Egbert ausbauen, denn man brauchte eine sichere Festung gegen die Wikinger.
Wer war Karl der Große?
Karl der Große (748-814) war König des Frankenreiches und ab 800 als erster Westeuropäer seit der Antike weströmischer Kaiser. Unter seiner Herrschaft erreichte das Reich die größte Ausdehnung, dazu gehörte auch die Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen. Zwischen dem Kaiser und der Hammaburg gibt es allerdings keine nachweisliche Verbindung.
Der Standort Esesfelth gedieh. Der mächtige Bischof Ebo von Reims war für ihn zuständig und kam hier seiner Aufgabe als Missionar des Nordens nach – bis er eines Tages übermütig wurde und gegen den regierenden Sohn Karls des Großen, Ludwig den Frommen, rebellierte. Ein schwerer Kampf folgte – die drei älteren Söhne Ludwigs zogen gegen ihren Vater zu Felde. Zwischenzeitlich wurde Ludwig eingekerkert und musste schließlich abdanken. Doch das war noch nicht das Ende. Ludwig setzte sich durch und wurde 834 wieder als Kaiser eingesetzt.
Ludwig der Fromme
dargestellt als miles Christi. Illustration aus dem Liber de laudibus sanctae crucis von Hrabanus Marurus aus dem Kloster Fulda, um 825.

Ludwig beendete die Unterstützung für Esesfelth und gab schließlich die Leitung der Mission im Norden an Ansgar. Der einst mächtige Ebo wurde versetzt und beendete seine Karriere als Bischof von Hildesheim.

Ob der Missionar ahnte, was ihn an seinem neuen Wirkungsort erwartete?
Nun musste man einen neuen Standort finden, der an der nördlichen Grenze des Frankenreichs einen sicheren Stützpunkt für die Mission bot. Wohin könnte man ausweichen? Der Ort musste strategisch ähnlich günstig sein, weiter südlich gelegen und besser zu erschließen…
Reichsgrenze in Nordelbien
Die fränkischen Burgen Esesfelth, Hammaburg und Delbende sicherten die Reichsgrenze in Nordelbien, das als Pufferzone agierte. Die roten Linien markieren das historische Wegenetz.

Esesfelth lag relativ weit im Inland am Fluss Stör, während Hammaburg an der Alster, ganz nahe der Elbe lag und so natürlich vom Meer aus schnell erreichbar war. Es war also Ludwig der Fromme – nicht Karl der Große – der über Hamburgs Schicksal entschied. Er war es, der den Entschluss fasste, das unbekannte und fast mickrige Hammaburg auszubauen. Zu dieser Zeit wurde es regiert von einem Graf namens Bernhard, der den Auftrag erhielt, die Siedlung zu erweitern.

Geburtsstunde der Hammaburg
Auf Grund der bis dahin mäßigen Bedeutung der Siedlung auf dem Geestsporn, lässt sich die offizielle Geburtsstunde Hammaburgs also erst mit der Ankunft Ansgars sicher belegen – auch wenn diese keineswegs so ausgesehen haben mag, wie es das monumentale Wandgemälde des Malers Hugo Vogel im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses zeigt.

Hugo Vogels Wandgemälde
Zwar war Ansgar bereits ein angesehener Geistlicher, allerdings kein (Erz-)Bischof und so muss seine Ausstattung entsprechend weniger glamourös gewesen sein. Dazu kann man davon ausgehen, dass er nicht auf eine Gruppe Unwissender stieß, denn die Sachsen waren durchaus bereits mit dem Christentum in Berührung gekommen (wie Bestattungen und frühe Kirchenbauten südlich der Elbe beweisen). Dennoch ein entscheidender Moment. Ab diesem Zeitpunkt berichten Urkunden und andere Schriftquellen über den Ort Hammaburg.
Ansgar wurde im französischen Kloster Corbie erzogen und stieg später zum Leiter der Klosterschule des neuen Klosters Corvey auf. Bereits als junger Mann mit Mitte zwanzig hatte er Missionsdelegationen nach Dänemark und Schweden begleitet. Darunter die Entsendung des frisch getauften dänischen Thronanwärters Harald Klak durch Ludwig den Frommen. Harald hatte jedoch keinen Erfolg und erst später, um 850, ließ ein dänischer Herrscher, Horik I., Ansgar eine Kirche in Haithabu bauen.
Ansgar genoss das Vertrauen von Ludwig dem Frommen, er hatte sich durch seine bisherigen Missionsreisen verdient gemacht. So bekam er im Jahre 831 seinen ersten eigenen Auftrag: Kaiser Ludwig rief ihn ins Frankenreich und betraute ihn mit der Mission des Nordens. Als sein neuer Wirkungsort sollte die Hammaburg im äußersten Norden des Reiches dienen. Mit diesem wichtigen Auftrag traf er dann 834 in der Siedlung auf dem Geestsporn ein.
Nicht nur die Bekehrung der Sachsen gehörte zu Ansgars Aufgaben, auch die Mission Richtung Skandinavien sollte er vorantreiben.

Ansgars neuer Sitz war sehr bescheiden, trotzdem verbrachte er elf Jahre überwiegend hier. Er war bereits erfahren in der Mission von Heiden und sollte die Christianisierung des Nordens fortsetzen, die unter Karl dem Großen begonnen hatte.
Unter Ansgars Leitung errichtete man die erste Marien-Kirche. Ihr Standort wird außerhalb des Hammaburg-Walles vermutet, da bisher keine Funde im Inneren des Walls gemacht wurden, die auf einen Kirchenbau schließen lassen, wie beispielsweise ein Friedhof. Die Konstruktion wird ein einfacher Holzbau gewesen sein, wie auch der Rest der Siedlung. Mehr eine Hütte, ohne hohen Turm, vielleicht mit einem Tisch als Altar und einigen Bänken. Auch wenn während der mittelalterlichen Gottesdienste oft gestanden wurde.

Erste Marien- Kirche
Die Forschung hat stets vorausgesetzt, dass Ansgars Kirche innerhalb der umwehrten Hammaburg liegen müsse. Als bei den ersten Ausgrabungen 1949 die Reste von vier besonders mächtigen Kantholzpfosten entdeckt wurden, die genau in der Flucht des späteren gotischen Domes lagen, wurden diese daher gleich als Beweis für Hamburgs Ur-Kirche interpretiert. Inzwischen ist aber klar, dass die Pfostenspuren deutlich jünger sind und zu einer Holzkirche gehören, die wohl von Erzbischof Unwan in den 1020er Jahren errichtet worden ist. Dieser Unwan-Dom ist heute der älteste auf dem Domplatz nachgewiesene Kirchenbau. Er entstand erst nach der Schleifung der Hammaburg III auf dem aufgelassenen Burgareal. Ansgars Kirche konnte bis heute nicht gefunden werden. Vieles deutet darauf hin, dass ihre Reste unter der Hauptkirche St. Petri unmittelbar nördlich der einstigen Hammaburg liegen.
Von Ansgars ersten religiösen Erfolgen künden Schmuckstücke, die man auf dem Domplatz fand: ein Kruzifix aus Knochen und eine kreuzförmige Brosche mit Glasperlendekoration. Sie sind ein Beweis dafür, dass sich die ersten Christen Hammaburgs zu ihrem Glauben bekennen wollten. Doch nicht nur die bereits weit gediehene Bekehrung der Sachsen gehörte zu Ansgars Aufgaben, auch die Mission Richtung Skandinavien sollte er vorantreiben. Dabei ging es nicht zuletzt auch um Macht und Einfluss.
Sachsen, Dänen und Schweden sollten auch kooperative Vasallen der Franken werden. Man muss davon ausgehen, dass Ansgar Hammaburg als Stützpunkt nutze, jedoch auch viel Zeit auf Reisen verbrachte und durch seine Schüler vertreten wurde. Wie später mit dem ottonisch-salischen Reichskirchentum festigte bereits die damalige Herrschaft ihren Einfluss über die Kirchenleute.

Flucht vor den Wikingern
Sie kamen mit dem Hochwasser am Abend: Im Jahr 845 erreichten die Wikinger mit zahlreichen Schiffen die Alstermündung und die Burg. Sie raubten, was von Wert war, blieben einen vollen Tag und brannten alles nieder. Am darauffolgenden Morgen segelten sie bereits wieder davon. So beschreiben es die Schriften von Ansgars Biografen Rimbert.

Wer waren die Wikinger?
Das Bild der Wikinger, die als Plünderer und Mordbrenner vom 8. bis 11. Jahrhundert die abendländische Welt in Schrecken versetzten, wurde von zeitgenössischen Chronisten geprägt. Tatsächlich war ihr Leben aber vielschichtiger: Sie verehrten ihre eigene Götterwelt und widersetzten sich dem christlichen Glauben bis ins 12. Jahrhundert. In ihrer skandinavischen Heimat lebten sie als Bauern oder Handwerker. Als seefahrende Händler und Entdecker führten ihre Wege sie nach West- und Südeuropa und in den Osten bis nach Byzanz. Sie gründeten Handelsplätze und Staaten, besiedelten die Inseln des Nordatlantiks und entdeckten als erste Europäer Amerika. Und sie hatten keine Hörnerhelme!
Hütten brennen, Geschrei, das metallische Geräusch von Schwertern, die aufeinander schlagen. Es riecht nach Rauch in der nass-kalten Abendluft. Wer kann, flieht – so auch Ansgar. Ausgerechnet in dieser Nacht ist der Missionar unbewacht vor Ort. Denn der ansässige Graf Bernhard mit seiner Gefolgschaft ist abwesend, daher ist an Verteidigung nicht wirklich zu denken. Die wehrlose Burg wird eingenommen.

Gütesiegel für Schwerter
Das Schwert war neben Lanze und Axt die Hauptwaffe der frühmittelalterlichen Krieger. Viele Schwerter des 8. bis 11. Jahrhunderts tragen den in die Klinge eingearbeiteten Namen Ulfberht. Der Markenname verweist auf westeuropäische Schmiedewerkstätten und ist als Gütesiegel vergleichbar mit dem heutigen Begriff Solingen für hochwertige Stahlprodukte. Solche Schwertklingen waren die hochwertigsten Angriffswaffen ihrer Zeit und deshalb in ganz Europa begehrt. Um nicht gegen ihre eigenen Waffen kämpfen zu müssen, verhängten die fränkischen Herrscher sogar ein Exportverbot für Ulfberht-Schwerter. Dennoch stammen die meisten Funde aus Skandinavien, wo sie Wikingern zuletzt als Grabbeigaben dienten
Quellen wie die Vita Anskarii und die Hamburg-Bremer Kirchengeschichte schildern eindringlich, wie die dänischen Kämpfer die wehrlose Burg überrennen. Doch ist der Angriff der Wikinger auch archäologisch nachweisbar? Bei einem solchen Überfall wäre ein Brandhorizont zu erwarten, der sich auf das gesamte Siedlungsgebiet erstrecken müsste. Bei den Ausgrabungen fanden sich aber nur wenige Brandspuren, wie Holzkohleschüttungen, Lehmbrandreste und feuergeschwärzte Steine – die jedoch von den Feuerstellen der Wohnhäuser stammen dürften.

Das Leben geht weiter
Für das kleine Hammaburg hätte dieser Tag beinahe das Aus bedeutet – auch wenn die historischen Quellen die Ereignisse übertrieben haben mögen. Doch wie wir durch die Archäologie wissen, blieb Hammaburg nach dem Überfall nicht wüst und leer. Indizien wie Keramikscherben Hamburger Machart an anderen Fundorten (wie Schmeessen am Süntel) deuten zwar darauf, dass einige Hamburger sich dauerhaft einen neuen Ort zum Leben suchten. Doch auch auf dem Gelände der Burg ging das Leben nach einer Zeit der Erholung weiter.
Für das kleine Hammaburg hätte dieser Tag beinahe das Aus bedeutet.
Vielleicht kamen die Geflüchteten zurück, vielleicht sind es neue Bewohner gewesen. Jedenfalls zeigen die archäologischen Befunde, dass der nun nutzlose Wehrgraben zugeschüttet wurde und darauf kleine Hütten entstanden. Das wissen wir durch Funde von Feuerstellen, die mit Feldsteinen befestigt als Herdstellen genutzt wurden, an denen Menschen gekocht und sich gewärmt haben. Die Siedlung existierte also in kleinem Rahmen weiter. Den Zeitpunkt, an dem man den Ringgraben aufgefüllt hat, können Archäologen recht gut auf das Jahr 850 datieren, fünf Jahre nach dem Überfall.
Aufteilung des Frankenreichs
843 wurde das Frankenreich durch den Vertrag von Verdun unter den drei Söhnen Ludwigs des Frommen aufgeteilt. So verlor Hammaburg das Kloster Torhout in Flandern, das der Versorgung von Ansgars Mission diente, während das Erzbistum Köln von seinem Suffraganbistum Bremen getrennt wurde.

Ab diesem Zeitpunkt verschwand das kleine Hammaburg vorerst von der überregionalen politischen Bühne. Ansgar, der Leiter der Marienkirche und Hauptgeistliche, war fort. Man kann davon ausgehen, dass der hölzerne Kirchenbau dem Überfall zum Opfer gefallen ist und selbst, wenn nicht – es fehlte ein Geistlicher um den Ort zu bespielen.
Ansgar flüchtete über den Ort Ramelsloh im Landkreis Harburg, um schließlich in Bremen anzukommen. Bei sich hatte er nur noch wenige der wertvollen Reliquien. Wie es der Zufall so will ergab sich in Bremen bald eine neue Stellung für ihn: der Bremer Bischof Leuderich verstarb und der verdiente Missionar trat seine Nachfolge an.
Man kann sich dies heutzutage nur schwer vorstellen, aber diese Beförderung ist der Auslöser eines jahrelangen Streits, von Urkundenfälschungen und der Kuriosität des Doppelbistums Hamburg-Bremen. Ansgar erhielt den kirchlichen Anspruch auf Hammaburg aufrecht, wollte sich als Missionsbischof, besser noch als Erzbischof, für den ganzen Norden etablieren. Die politischen Verhältnisse hatten sich allerdings in den letzten Jahren geändert. Die Söhne Ludwigs des Frommen hatten 843 in der Reichsteilung von Verdun das Frankenreich in drei Teile aufgespalten. Das Bistum Bremen war bis dahin dem Erzbistum Köln als Suffraganbistum untergeordnet, lag aber nun in einem anderen Reich.

Geschichtsschreibung mit Absichten
Nun saßen die mächtigen Kölner in einem anderen Land, im Reich von Lothar I. Bremen wiederum lag im Gebiet Ludwigs des Deutschen und war nun gar nicht mehr gewillt, sich Köln unterzuordnen. Durch den Anspruch auf Hammaburg als Stützpunkt und damit die Mission des ganzen Nordens, wertete sich Bremen auf. Ein eigenes, unabhängiges Erzbistum sollte es sein und das seit den Zeiten des Großen Karls. Daran arbeiteten Ansgar und seine Nachfolger, auch wenn sie dafür ein wenig Geschichtsklitterung betreiben mussten.

Vita Anskarii
Die Vita Anskarii, die Lebensbeschreibung des heiligen Ansgar, wurde bald nach seinem Tode im Jahre 865 von Ansgars Schüler und Nachfolger Rimbert verfasst. Sein Biograf war einerseits bestrebt, die Lebensleistung Ansgars für die Nachwelt besonders auszuschmücken und ihm so den Weg zur Heiligsprechung zu ebnen. Andererseits verfolgte Rimbert mit Ansgars Biografie aber auch ein klares politisches Ziel in dieser für Hamburg und Bremen schwierigen Umbruchszeit: Er versuchte mit allen Mitteln, die vom Kölner Erzbischof massiv eingeforderten Ansprüche auf dessen abtrünniges Bistum Bremen abzuwehren. So kam es zur Konstruktion eines angeblichen Hamburger Erzbistums, das sogar auf Pläne Karls des Großen zurückgeführt wurde und dem Bremen natürlich viel näher lag als Köln.

Plötzlich Erzbistum
Da stimmt doch irgendetwas nicht: Ein Blick in die Urkunden bezeugt, dass Hammaburg bereits in den 830ern ein Erzbistum gewesen sein soll. Aber hätte man ein Bistum wirklich brach liegen lassen nach einem Wikingerüberfall?
Schon die Datierung der Urkunden sollte stutzig machen. Am 15. Mai 834 beurkundet Ludwig der Fromme die Weihe und Entsendung Ansgars, seine Belehnung mit dem Kloster Torhout und die Einrichtung des Erzbistums Hammaburg. Bestätigt 831/832 von Papst Gregor IV. Zwei Jahre also vor der Entsendung? Ungewöhnlich!
Diese Urkunden sind auch heute noch brisant, denn sie machten die kleine Burg im Norden des Frankenreiches zum eigenständigen Erzbistum und ermöglichten es den Hamburgern, jeden Einfluss anderer Kirchenmänner abzuwehren. Das war durchaus nötig (und Absicht), denn der mächtige Kölner-Erzsitz beanspruchte die Verfügungsgewalt und damit auch die Zehntzahlungen aus Hamburg-Bremen. Damit verbunden waren auch die Einnahmen aus dem nordelbischen und sogar skandinavischen Raum. Bremen war zum Zeitpunkt, als die Urkunden angeblich ausgestellt wurden, ein Köln untergeordnetes Suffraganbistum – ein Tochter- oder Unter-Bistum könnte man sagen.
Später änderte sich die politische Lage durch die Reichsteilung von Verdun 843. Bremen lag nun in einem anderen Reich als Köln und wollte unabhängig agieren und den Einfluss auf die neu missionierten Gebiete in Skandinavien selbst ausüben. Da kam der angebliche Erzbistumsstatus des assoziierten Hammaburg gerade recht. Als Doppelbistum mit einem althergebrachten Erzbistum mit unanfechtbarem, offiziellem Missionsauftrag nach Norden hatte Hamburg-Bremen eine ganz andere reichspolitische Relevanz.
Schon die Datierung der Urkunden sollte stutzig machen. Es ist recht unwahrscheinlich, dass Ansgar zu Lebzeiten selbst zum Fälscher der Geschichte wurde. Jedoch sollte man erwähnen, dass in seinem Heimatkloster Corbie Urkundenfälschung kein Fremdwort war. Historiker gehen eher davon aus, dass eine spätere, nur teilweise Verfälschung der Urkunde am wahrscheinlichsten ist. Die Entsendung eines Missionars, auch mit Bestätigung durch den Papst und mit Belehnung mit Ländereien zur Finanzierung und zum Rückzug war für diese Zeit nichts Ungewöhnliches.
Die Urkunden wurden nachträglich um das Prädikat „Erzbistum des Nordens, geplant von Karl dem Großen“ erweitert.
Auch Bonifatius und Ebo von Reims wurden so für ihren Dienst als Missionsbischöfe ausgestattet. Für den Priester Heridag, den noch Karl der Große nach Nordelbien gesandt hatte, galt dies ebenfalls. So ist anzunehmen, dass die Urkunden ursprünglich mit diesem Inhalt – Missionslegat und Belehnung mit Torhout – verfasst, dann aber für die Abschrift in der Vita Anskarii um das Prädikat „Erzbistum des Nordens, geplant bereits von Karl dem Großen“, erweitert wurden. Dafür weicht der übliche Urkundenstil ab und übernimmt sogar Passagen, die auf dem Heiligenleben basieren.
Heiligenleben, auch Heiligenviten genannt, sind Lebensbeschreibungen heiliger Personen. Ähnlich einer Biografie beschreiben sie den Lebenslauf bekannter Persönlichkeiten, die als religiöses Vorbild dienen und verehrt werden sollen. Die Wissenschaft von den Heiligenleben nennt sich Hagiographie. Hagiographische Quellen sind Texte oder materielle Überreste, die über das irdische Leben der Heiligen, ihren Kult und die von ihnen (oder ihren Reliquien) bewirkten Wunder Auskunft geben.

Der Papst als Schiedsrichter
Dem Kölner Erzbischof gefiel Hamburg-Bremens eigenmächtige Aufwertung wenig. Trotz der Reichsteilung wollte man den Anspruch auf Bremen nicht aufgeben. Der Streit eskalierte, sodass schließlich Papst Formosus eingreifen musste und zum Schiedsrichter wurde. Abgesandte aus Hamburg, Bremen und Köln reisten nach Rom und legten dort ihre Dokumente vor. Für den Papst waren diese Beweis genug und er zweifelte nicht an der Glaubwürdigkeit der Hamburger und Bremer. Köln zog somit im Jahre 893 endgültig den Kürzeren. Es galt: Hammaburg ist das Erzbistum des Nordens.
Um 900 entsteht die deutlich größere Hammaburg III an gleicher Stelle.
Auch die archäologischen Erkenntnisse lassen auf die offizielle Anerkennung des Erzbistums Hammaburg schließen. Nur ein solches Ereignis kann erklären, warum gegen Ende des 9. Jahrhunderts in Hamburg ein regelrechter Bauboom ausbricht. An einem Ort, der fast ein halbes Jahrhundert in Vergessenheit geraten und nur locker besiedelt gewesen war.
Um 900 entsteht die deutlich größere Hammaburg III an gleicher Stelle wie ihre zwei Vorgängerinnen. Sie misst etwa 85 x 95 m. Aus dieser Zeit sind erstmals auch Häuser im Inneren der Wallanlage nachweisbar.
Die Siedlung wächst, es wird gehandelt und neu gebaut.

Ein Erzbistum konnte eine seit dem Wikingerüberfall zerstörte Kirche und Burg nicht so stehen lassen: ein neuer Kirchenbau musste her und auch Wall und Graben wurden ausgebaut. Wo genau die Kirche damals entstand, bleibt bis heute unklar. Aber es wäre durchaus ein guter Zeitpunkt für eine Verlegung in die Siedlung hinein gewesen. Man geht davon aus, dass Ansgars Kirche noch außerhalb der Burg, vielleicht unter St. Petri, stand. Bei den Ausgrabungen am Domplatz, auf dem Gelände der Hammaburg, fand man allerdings nur erste Belege für den Holzdom Bischof Unwans aus dem 11. Jahrhundert.
In der Zeit um das Jahr 900 ist ein beachtliches Wachstum der Siedlung Hammaburg zu verzeichnen. Neben dem Ausbau der Burg entwickeln sich auch eine Händlersiedlung und ein Hafen. Auf der Reichenstraßeninsel entstehen erstmals Häuser. Der Schlüssel zum namensgebenden Reichtum liegt im Handel über den Fernhandelsweg durch die Alsterfurt und über den Hafen. Am heutigen Alten Fischmarkt, dem ersten Marktplatz der Stadt, floriert das Geschäft.

Handel und Handwerk
Im frühen Mittelalter entstanden im Nordseeraum überregional bedeutsame Handelsplätze. Sie lagen stets im Schnittpunkt wichtiger Straßen und Wasserwege. Eine Burg war meist Sitz der zentralörtlichen Verwaltung. Auch Hammaburg war ein solcher Zentralort mit Handwerk und Handel. Gusstiegel zeugen von Metallverarbeitung, Geweih- und Knochenabfälle von Knochenschnitzerei, Webgewichte von Tuchherstellung. Ab dem 9. Jahrhundert gelangten Waren aus vielen Regionen hierher. Drehscheibenkeramik kam aus dem Rheinland, Muschelgruskeramik aus Friesland, slawische Keramik aus dem Osten, Feinkeramik aus dem fränkischen Süden. Wetz- und Schleifsteinen aus norwegischem Schiefer und Basalt-Mühlsteine aus der Eifel sind weitere Zeugnisse dieses überregionalen Handels.
Bauboom in Hammaburg
Um 1020 verschwindet die Hammaburg und die Neue Burg wird errichtet. Es scheint als wäre die Siedlung für ihre Einwohnerzahl und den Grafenhof zu klein geworden. Auch sitzt die Kirche mittlerweile im Dorf und beansprucht mehr Platz. Die Lösung dieses Problems ist ganz einfach, hat jedoch Historiker und Archäologen jahrzehntelang verwirrt.

Die Quellen sprechen von einer Nachfolgeburg der Hammaburg, die unter den Billunger Grafen Bernhard II. oder Ordulf gebaut worden sein soll. Es werden die Bezeichnungen Neue Burg und Alsterburg verwendet. Die genaue Lage und Beschaffenheit dieser Burg(en) blieb aber lange ungeklärt. Der Standort der Neuen Burg am heutigen Hopfenmarkt ist durch den Straßennamen überliefert, doch die Alsterburg wurde an den verschiedensten Orten der Altstadt vermutet.
Eine Theorie ist, dass sie sich unter dem heutigen Rathaus befunden hat. Hier entdeckte man bei Bauarbeiten Steinfundamente, die man fälschlicherweise dem Grafensitz zuschrieb, obwohl sie aus späterer Zeit stammten. Aus den schriftlichen Quellen ergab sich ein Missverständnis: Adam von Bremen erwähnt ein steinernes Haus des Bischofs und auch der Graf baute zur gleichen Zeit. So wurde auch seine neue Burg als Steingebäude interpretiert:
Die größte Baustelle in Norddeutschland zieht Handwerker und Reichtum an.
Erst die Ausgrabungen am Hopfenmarkt im Jahr 2014/15 brachten Gewissheit: Dank guter Holzerhaltung kann die Neue Burg auf die frühen 1020er Jahre datiert werden. Also wurde sie bereits durch Graf Bernhard II. Billung gebaut. Damit gehört die Alsterburg wohl ins Reich der Legenden bzw. meint eben diese Neue Burg, die direkte Nachfolge-Anlage der Hammaburg. Die Schriftquellen erzählen, dass der Graf die Hammaburg dem Bischof überließ und für sich und die Seinen in einer Alsterschleife einen neuen Sitz errichtete.
Diese ungewöhnliche Übereignung der alten Burg kann nur zu einer Zeit geschehen sein, als Graf und Bischof sich gut verstanden und zusammen an der Entwicklung des Standorts Hammaburg arbeiteten. Das passt sehr gut auf Bernhard und Unwan – die beiden waren verschwägert. Spätere Bischöfe verstanden sich weniger gut mit den Billunger Grafen, die um 1100 ausstarben und durch die Schauenburger ersetzt wurden. Zeitgleich mit dem aufwendigen Bau der Neuen Burg, einer Holz-Erde-Befestigung nach slawischer bzw. sächsischer Bauweise, wird die Hammaburg eingeebnet.

Neue Burg
Bei den Ausgrabungen zeigte sich, dass die Bauhölzer des Burgwalls ungewöhnlich gut erhalten waren. So konnte nicht nur der Wallaufbau der ringförmigen Festung in allen Details rekonstruiert, sondern auch die Errichtung der Neuen Burg anhand der Dendrochronologie auf das Jahr genau bestimmt werden. Die Methode basiert auf der Messung der Jahrringabfolgen der Bauhölzer. Jedes Frühjahr bilden Bäume neue Jahrringe unter der Rinde aus, deren Breite je nach Temperatur und Feuchtigkeit variiert. Dadurch entsteht eine charakteristische Abfolge aus verschieden breiten Jahrringen. Ausgehend von dem Jahrringmuster heutiger Bäume kann so durch Überlappung mit den Mustern älterer Hölzer nach und nach eine zusammenhängende Jahrringabfolge aufgezeichnet werden, die inzwischen über 10.000 Jahre zurückreicht. Der Abgleich mit den Wallhölzern der Neuen Burg ergab zwei Bauphasen: eine Gründung zwischen 1021 und 1023 sowie eine Ausbauphase zwischen 1030 und 1032. Somit ist die Neue Burg gut 40 Jahre älter als bei Adam von Bremen überliefert.
Der Bischof wiederum sicherte den Dombezirk durch einen Wall nach Osten gegen die Slawen. Der sogenannte Heidenwall erstreckte sich über den ganzen Geestsporn von Norden nach Süden. Diese Baumaßnahmen zogen massenweise Handwerker und Material nach Hamburg. Es handelte sich um die größte Baustelle Norddeutschlands in dieser Zeit. Spätestens jetzt war Hamburg zum wichtigsten Zentralort der Region aufgestiegen.
Diese Stellung konnte die Siedlung an der Alster in den nächsten Jahrhunderten festigen und ausbauen: Auf dem Gelände der Neuen Burg entstand ab 1186 unter dem Grafen Adolf III. von Schauenburg die Kaufmannssiedlung mit Alsterhafen am Nikolaifleet, die in der Hansezeit zur Blüte gelangte. Aus dieser Keimzelle entwickelte sich der um 1900 größte Hafen der Welt und die Metropole Hamburg, wie wir sie heute kennen. Der Rest ist Geschichte.
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Diese Webstory entstand im Rahmen des Projekts „SmartSquare“. Im Verbund mit dem CityScienceLab der HCU und e.Culture.info testet das Archäologische Museum Hamburg die Potenziale digitaler Wissensvermittlung.
Neben einer digitalen Infostele am Hamburger Domplatz – dort wo einst die Hammaburg stand – können Interessierte die Entstehungsgeschichte Hamburgs vor Ort, unterwegs oder von zu Hause durch vielfältige smarte Angebote entdecken. Eine Möglichkeit dafür ist der HammaBot, ein Chatbot, der durch künstliche Intelligenz zu einem Schnack über die Archäologie einlädt.
Wem Sound lieber ist, der kann sich an fünf Stationen mit der Audio-Tour über die vielen historischen Geschehnisse am Domplatz informieren.
Für diejenigen, die einfach nur visuell ins Mittelalter abtauchen wollen, empfehlen wir einen Blick auf Google Streetview. Dort finden Sie auf dem Domplatz in Hamburg eindrucksvolle 360°-Visualisierungen, die man sich auch gut mit einem Cardboard oder anderen VR-Headset ansehen kann.
Projektleitung
Anais Wiedenhöfer, Archäologisches Museum Hamburg
Redaktionelle Mitarbeit
Kerstin Tolkiehn
Umsetzung
2470.media